Diese Studie untersucht erstmals V. Gordon Childes archäologische
und ethnologische Netzwerke in Wien. Der australisch-britische
Prähistoriker besuchte Österreich zwischen 1922 und 1953
mehrmals, um prähistorische Sammlungen zu studieren, und stand
in engem Kontakt mit österreichischen Prähistorikern und Ethnologen.
Ein zentraler Leitgedanke seiner archäologischen Forschung
war der kulturelle Diffusionismus, der in der Ethnologie vor allem
im Wien der Zwischenkriegszeit eine bedeutende Rolle spielte. Der
erste Teil beschäftigt sich mit Childes Kontakten zur Archäologie
in Wien. Im Mittelpunkt stehen dabei seine Besuche im Naturhistorischen
Museum in Wien, die ihn auch nach Znojmo und
Moravské Budějovice in der damaligen Tschechoslowakei führten.
Ausführlich untersucht werden Childes Beziehungen zu Adolf
Mahr, dem Direktor des Nationalmuseums in Dublin, und zu
Oswald Menghin, der in der Zwischenkriegszeit eine Schlüsselposition
in der österreichischen Urgeschichtsforschung einnahm.
Der zweite Teil beleuchtet Childes ethnologische Verbindungen in
Wien. Im Mittelpunkt steht die Zusammenarbeit zwischen Childe
und Pater Wilhelm Koppers, der 1936 ein umfangreiches Werk über
die kulturgeschichtliche Herkunft der Indoeuropäer zur Widerlegung
der nationalsozialistischen Doktrin veröffentlichte. Es wird
die Frage geklärt, welchen Einfluss die Wiener Schule der Ethnologie
auf Childes Diffusionskonzept hatte. Für diesen Beitrag wurden
zahlreiche Korrespondenzen aus zwölf Archiven herangezogen,
die neue Erkenntnisse über die akademischen Netzwerke der
untersuchten Protagonisten aufzeigen.
Schlagworte: Diffusionismus, Kulturkreislehre, Geschichte der Kultur- und Sozialanthropologie, V. Gordon Childe, Adolf Mahr, Oswald Menghin, Wilhelm Koppers