Mit "Sprachkunst" ist der zentrale Gegenstand benannt, um den es in den literaturwissenschaftlichen Beiträgen der Zeitschrift geht. Eine Tradition der Philologie hat sich auf verschiedene Formen künstlerischer Sprachverwendung und auf poetologische Themen konzentriert. Das heutige Selbstverständnis der Zeitschrift geht davon aus, dass sich diese Tradition auf produktive Weise mit aktuellen Paradigmen moderner Literaturwissenschaft verbinden lässt, um textorientiert den kritischen Eigensinn von Literaturen zu analysieren. Die seit 1970 halbjährlich erscheinende Zeitschrift der Österreichischen Akademie der Wissenschaften setzt sich vor allem mit deutschsprachigen und europäischen Literaturen auseinander, Beiträge können auf Deutsch, Englisch und Französisch publiziert werden. Neben den literaturwissenschaftlichen Aufsätzen erscheinen Rezensionen von Fachliteratur, Forschungs- und Tagungsberichte sowie Verzeichnisse literaturwissenschaftlicher Dissertationen und Habilitationen an österreichischen Universitäten.
In diesem thematisch offenen Band werden vier Beiträge präsentiert: P. Osterried untersucht die Übersetzungen von „Phädra“ durch Schiller und Werle, um die Frage zu erörtern, ob der Stil der französischen Klassik angemessen ins Deutsche übertragen werden kann. M. H. Meyer zeigt auf, wie Schnitzlers frühe Erzählungen Herausgeber fingieren, um das Erzählte unzuverlässig erscheinen zu lassen. Am Beispiel von Straus‘ „Walzertraum“ analysiert F. Kragl die Verquickung aus Rührseligkeit und ironischer Persiflage in der „späten Operette“. L. Užukauskaitė schließlich arbeitet die transmedialen Berührungspunkte der Rom-Bilder Bachmanns und Twomblys heraus. Zwei Rezensionen und ein Nachruf ergänzen den Band: Besprochen werden M. Neris Überblicksdarstellung zu Leben und Werk von Baudelaire und L. Hansens Monographie über eine Poetik, die den Müll zum Gegenstand von Gegenwartsliteratur macht. Die Würdigung gilt dem 2023 verstorbenen indischen Literaturwissenschaftler Anil Bhatti.
Natürlich oder künstlich? Eine deutsch-französische Auseinandersetzung mit Phädra/Phedre
Die stiefmütterliche Behandlung der ›Phädra‹ im deutschsprachigen Raum geht auf die kritische
Haltung Schillers und Goethes gegenüber der vermeintlichen Manieriertheit des hohen
Stils der französischen Klassik zurück. Dass Schillers Vorbehalte nur bedingt auf die ›Phädra‹
zutreffen, lässt sich an der Tatsache festmachen, dass er selbst das Drama kurz vor seinem
Tod für die Weimarer Bühne übersetzte. Anhand seiner eigenen übersetzung wird zu sehen
sein, nicht wie fern, sondern wie nah ihm Racines Welt ist. Im Vergleich mit Simon Werles
kongenialer ›Phädra‹-übersetzung von 1986 wird sich zeigen, dass Schiller irrte, wenn er den
Alexandriner für unübersetzbar für die Bühne hielt – denn er übersetzte im Blankvers! Wenn
Schiller auch schon sah, dass Racines semantische und metaphorische Welt der deutschen Bühne
verwandt sind, wird durch Werles übersetzung offensichtlich, dass sogar die Versmelodie
des Alexandriners dem Ohr eines deutschsprachigen Publikums zumindest näherungsweise
eingängig gemacht werden kann.
Schnitzlers Herausgeber. Zum Verhältnis von editorischer Instanz und unzuverlässigem Erzählen
Die Entwicklung zur radikalen Innerlichkeit der Monolognovellen ›Leutnant Gustl‹ und
›Fräulein Else‹ im Erzählwerk Arthur Schnitzlers wurde häufig herausgestellt. Dieser Beitrag
zeigt, dass die in den frühen Erzählungen durch den Untertitel implizierte Herausgeberfiktion
in Schnitzlers Werk aber nicht mit dem inneren Monolog verschwindet, sondern in Novellen
wie ›Die Weissagung‹ und ›Der letzte Brief eines Literaten‹ Autonomie erlangt und zur Unzuverlässigkeit
des Erzählens beiträgt.
Zur Ästhetik der ‚späten‘ Operette des frühen 20. Jahrhunderts. Oscar Straus: ›Ein Walzertraum‹ und seine
generische Verwandtschaft
Der Beitrag untersucht die spezifische Ästhetik der ,späten‘ Operette (ca. 1905 bis 1930), konkret
die für sie charakteristische paradoxe Verquickung von rührseligem Kitsch und ironischer
Persiflage, die dieses Genre unter eine unverwechselbare poetische Spannung setzt. Im Zentrum
steht eine Analyse des ›Walzertraum‹ von Oscar Straus (1907), flankiert von Seitenblicken
auf weitere Stücke vor allem von Oscar Straus und Ralph Benatzky.
Rom-Erfahrungen in den Werken von Cy Twombly und Ingeborg Bachmann. Transmediale Berührungspunkte ihrer Poetiken
Die vorliegende Untersuchung arbeitet die transmedialen Berührungspunkte der Poetiken von
Cy Twombly und Ingeborg Bachmann heraus, indem sie ihre Werke typologisch miteinander
vergleicht. Diese Vergleichsmöglichkeit ist durch ihren lebens- und werkgeschichtlichen Bezug
zu Rom wie auch Italien gegeben. Die von Twombly und Bachmann entwickelten eigenen
Werkpoetiken mitsamt ihren eigenen Rom-Poetiken weisen nicht nur Äquivalenzen auf, sie
sind in der Lage, sich gegenseitig produktiv zu erhellen.