Ökonomische Bildung soll junge Menschen befähigen, in den ökonomisch hochgradig durchdrungenen Lebenswelten selbstbestimmt, verantwortungsbewusst und im demokratischen Rahmen mitgestaltend zu handeln. Neben Orientierungs-, Urteils- und Handlungsfähigkeit sind auch Sachkenntnisse erforderlich, aber nicht ausschließlich. Tests zum Wirtschaftswissen prüfen lediglich die Erinnerungsfähigkeit und im besten Fall noch Zusammenhänge, jedoch nicht die eben erwähnten Fähigkeiten. Wenn man die beiden grundlegenden Paradigmen der ökonomischen Bildung, nämlich das der ökonomistischen (kategorialen) Bildung und das der lebensweltorientierten sozio-ökonomischen Bildung gegenüberstellt, wird deutlich, dass der im Fach Geographie und Wirtschaftskunde (GW) und in der GW-Fachdidaktik zentrale Gesellschafts-Raum-Wirtschafts-Kontext mit dem zweitgenannten Paradigma übereinstimmt. Somit orientiert sich die fachdidaktisch legitimierte Themenauswahl im Paradigma der sozio-ökonomischen Bildung primär an den vier Handlungsfeldern Privathaushalt, Konsum, Arbeit und Gesellschaft. Besonders in der Sekundarstufe I, in etwas geringerem Ausmaß auch in der Sekundarstufe II der Allgemeinbildenden Schulen, versteht sich die sozio-ökonomische Bildung nicht als verkürzte Vermittlung der Betriebswirtschaftslehre und der Volkswirtschaftslehre. Inwiefern sich die Unterrichtspraxis der Sekundarstufe I an den vier Handlungsfeldern der ökonomischen Bildung und somit an fachdidaktischen Erfordernissen orientiert, war zentrale Fragestellung eines an Wiener Schulen (Neue Mittelschule sowie AHS-Unterstufe) durchgeführten empirischen Studienteils (n = 527). Weiters wurde in diesem Abschnitt der Studie erhoben, als wie bedeutsam und als wie schwierig Themen und Themenfelder der ökonomischen Bildung von GW-Lehrern wahrgenommen werden. Die diesbezügliche Auswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse und Kontextanalyse. Wertet man die geschätzte Bedeutung von wirtschaftskundlichen Themenfeldern aus, so ergibt sich, dass Themen der Gesellschaftsökonomie mit über 54% der Nennungen als am wichtigsten eingeschätzt werden, mit weitem Abstand gefolgt von Arbeitsökonomie und Konsumökonomie. In Bezug auf die Themenbereichen zugeschriebene Schwierigkeit wird die Gesellschaftsökonomie mit 81% der Nennungen ebenso an erster Stelle angeführt. Für den GW-Unterricht lassen sich folgende drei Schlüsse ziehen: (1) Schulen sollten ihre Kontakte zu Experten und Unternehmen nützen. (2) Alltags- und Lebensweltbezüge sind bei fast allen ökonomischen Themen und Fragestellungen herstellbar und daher auch herzustellen. (3) Da es auf zahlreiche Fragen keine eindeutige und sichere Antwort geben kann, sind kontroversiell gestaltete Lernarrangements zu präferieren. Dies alles wird, wie nachgewiesen werden konnte, bereits zum Teil in der Sekundarstufe I umgesetzt, sollte jedoch im Sinne einer sozio-ökonomischen Bildung, die zur Mündigkeit von jungen Menschen beiträgt, intensiviert, erweitert und vertieft werden.
Schlagworte: ökonomische Bidung, sozio-ökonomische Bildung, ökonomistische Bildung, Wirtschaftswissen, Gesellschaftsökonomie, Mündigkeit, Emanzipation, Partizipation