Thomas Gronier, französischer Historiker, hat mit dem vorliegenden Werk eine wahre Pionierarbeit geleistet: Seine Studie bezieht sich auf die bisher noch wenig ausgearbeiteten Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Mitteleuropa nach 1945. Die hier erstmals beleuchteten Berichte österreichischer Botschafter beim Heiligen Stuhl eröffnen eine neue Perspektive auf die zentralen Themen des Ost-West-Konfliktes. Das katholische Österreich, seit 1955 wieder souverän und neutral, nahm dank seiner Kenntnisse und seiner historischen Beziehungen die Rolle eines privilegierten Gesprächsvermittlers des Heiligen Stuhls für die sowjetisch gewordenen Teile Europas ein. Eine Dreiecksbeziehung zwischen Rom, Wien und Mitteleuropa entstand. Pius XII. sprach von einer historischen Mission Österreichs. Der Autor vergegenwärtigt die Position der religiösen Elite Mitteleuropas und ihre unterschiedlichen Strategien gegenüber dem Kommunismus: sei es in Bezug auf die Kardinäle Mindszenty und Wyszynski, den Erzbischof Beran oder später Kardinal König. Groniers vergleichende Annäherung ist eine der Hauptleistungen seiner Studie. Gegenüber der tausendjährigen katholischen Kirche hatte der Realsozialismus keinen einfachen Stand. Die Kirchen, unter dem Eisernen Vorhang stehend, ließen sich nicht spalten. Jedoch sah der Vatikan sich zunehmend selbst vor einem Dilemma, gab es in ihm doch auch Strömungen, die mit den kommunistischen Regimes in Dialog treten wollten. Mit der Wahl Johannesʼ XXIII. in das Papstamt im Jahr 1958 begann ein neues Kapitel: Einst Akteur des Kalten Krieges, transformiert sich der Heilige Stuhl zum Akteur der Entspannung. Groniers Arbeit liefert viele Informationen zu weiteren wichtigen Themen, wie beispielsweise der nicht vollzogenen Inkraftsetzung des österreichischen Konkordats, der Stiftung Anima und den deutsch-österreichischen Beziehungen sowie der nicht eindeutigen Autonomie Südtirols in den 1950er Jahren. Die Arbeit ermöglicht es, die Stellung des Heiligen Stuhls im Ost-West-Konflikt ausführlich zu betrachten und neu zu bewerten.