Dieses Buch beschreibt verschiedene Szenarien des Übergangs von der nomadischen Lebensweise zur Sesshaftigkeit in Südosteuropa – der Schlüsselregion zwischen Anatolien bzw. der Ägäis und Mitteleuropa –, wo diese grundlegenden Veränderungen erstmals in Europa auftraten. Ziel dieses Buches ist es, die Komplexität des Wandels vom Jagen und Sammeln zu Ackerbau und Viehzucht in Südosteuropa, der ersten Region, die von diesem Phänomen betroffen war, aufzuzeigen und seine weitergehenden Auswirkungen zu erörtern. Es zeigt sich, dass es kein einheitliches Modell für die Ausbreitung des Neolithikums in Mitteleuropa gibt, sondern vielmehr eine Vielzahl unterschiedlicher Neolithisierungsprozesse. Die Ausbreitung der neolithischen Bauern nach Europa erfolgte hauptsächlich entlang der Donau und ihrer größeren Nebenflüsse. Abseits dieser Hauptrouten sind unterschiedliche Szenarien zu beobachten, an denen die älteren mesolithischen Populationen in unterschiedlicher Weise beteiligt gewesen sein könnten. Aus einer anfänglichen Einheitlichkeit der materiellen Kultur des südosteuropäischen Neolithikums entwickelten sich rasch lokale Traditionen.
Vor dem Hintergrund der Forschungsgeschichte des Neolithikums wird gezeigt, dass der Übergang von einem Leben im Einklang mit der Natur zu deren produktiver Nutzung oder gar Ausbeutung ein tief in der abendländischen Kulturgeschichte verwurzelter Gedanke ist. Dies zeigt, dass die Zusammenfassung der vielen beobachtbaren Neuerungen unter dem Begriff „Neolithikum“ die Epoche in ihrer Gesamtheit nicht adäquat beschreibt. Vielmehr stellt das Neolithikum eine Erprobungsphase für eine Lebensweise dar, die zumindest in der westlichen Welt als zivilisatorische Errungenschaft gewertet wird. Dennoch kann die Geschichte auch ganz anders verlaufen und hat dies in verschiedenen Regionen der Welt auch getan.
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