Ihr Aufschlusswert für die Mykenische Sprache und Kultur. Akten des internationalen Forschungskolloquiums an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am 5. und 6. Dezember 2002
Erstaunlich kurze Zeit nach ihrer Auffindung wurden die neuen Linear B-Tafeln von Theben 2001 durch den Ausgräber Vassilis Aravantinos und die beiden Epigraphiker Louis Godart und Anna Sacconi in einer ersten kritischen Edition vorgelegt. Ein Jahr später fand in Wien ein zweitägiges internationales Forschungskolloquium statt, bei dem 16 führende Mykenologen aus acht Ländern zu einem interdisziplinären Gedankenaustausch zwischen Epigraphik, Sprachwissenschaft, Philologie und Geschichtsforschung zusammentrafen. Gemeinsam mit den Herausgebern diskutierten sie das neue Textkorpus und seine Bedeutung für unser Bild von der mykenischen Sprache und Kultur. Die Beiträge behandelten den Erkenntnisgewinn des neuen Textmaterials für den mykenischen Wortschatz und besonders für die mykenische Anthroponymie, Toponymie und Terminologie, wie auch für die dialektale Landkarte der griechischen Sprache. Referenzsemantische Sachinterpretation und das Verhältnis des neuen Materials zu den Texten der anderen mykenischen Paläste bildeten weitere Themen. Das Wiener Kolloquium machte aber auch deutlich, dass durch die neuen Texte mehr neue Probleme aufgeworfen werden als definitive Antworten gefunden werden können. Ebenso wurden zwei exemplarische Deutungsmuster und Interpretations-Richtungen evident, die seither die wissenschaftliche Auseinandersetzung beherrschen. Sie lassen sich zwei grundsätzlichen, im Zugang konträren Paradigmen des Textverständnisses zuordnen und vereinfacht als Antithese religiöse versus profane Sachverhalte bezeichnen. In diesem Sinn bieten die Beiträge des Wiener Kolloquiums „Die neuen Linear B-Texte aus Theben” den Ansatz für jede weitere Diskussion über dieses Textkorpus.