Kaiserin Elisabeth von Österreich (1837-1898), die Ehefrau von Kaiser Franz Josef und Mutter von Kronprinz Rudolf, betätigte sich ohne Wissen ihrer Zeitgenossen als Dichterin und zwar in der Nachfolge des von ihr verehrten (und am Wiener Hof verfemten) Heinrich Heine. Die Kaiserin benutzte die tagebuchartigen Dichtungen als Ventil für vielfache Frustrationen, kritisierte gleichzeitig den Wiener Hof und die aristokratische Gesellschaft, ja die Monarchie überhaupt als nicht mehr zeitgemäß. Manche schonungslosen, oft geradezu provozierenden Aussagen der Kaiserin über Interna des Hauses Habsburg und die österreichische Politik der späten 1880er Jahre machen den Wert dieser Quelle aus und rechtfertigen die Edition. Denn es gibt keine vergleichbare historische Quelle ähnlichen Ranges aus dieser Zeit. Dass die Verse keinen hohen literarischen Wert haben, tut dabei ihrem Wert als Quelle keinen Abbruch. Die Wiener Historikerin und Elisabeth-Biographin Brigitte Hamann erhielt als erste die Erlaubnis zur Einsichtnahme in diese Quelle und legt diese als Gesamtedition der Öffentlichkeit vor. Die Kaiserin selbst verfügte die Verwahrung ihres literarischen Nachlasses beim Schweizer Bundespräsidenten (und eben nicht in Wiener Archiven, wo ihr die Gefahr der Vernichtung zu groß erschien – und das wohl mit Recht). Sie wünschte auch die Veröffentlichung dieser Verse im 20. Jahrhundert, um damit die „Zukunftsseelen“ über vieles zu informieren, was sich hinter den Kulissen abspielte. Der Reinerlös aus dem Verkauf des poetischen Tagebuchs kommt im Sinne einer Verfügung von Kaiserin Elisabeth dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlingshilfe zugute.