Es gehört zu den Grundlagen der Kulturgeschichte und zu den Desideraten der Forschung, nach den Handlungsspielräumen von Frauen in der Geschichte zu fragen. Dies gilt auch für Schuberts Lebenszeit, die durch den bereits stark geschlechtsspezifisch konnotierten Begriff „Biedermeier“ geprägt war. Das Milieu von Schuberts schöpferischem Umfeld wurde stark von Frauen wie den Fröhlich Schwestern, Irene Kiesewetter, Fanny von Arnstein, Caroline Pichler und vielen anderen mehr geprägt. Obwohl einige dieser Frauen bereits erforscht sind, wurden die Zusammenhänge zwischen weiblicher Partizipation und Handlungsfähigkeit selten aus einer übergreifenden und interdisziplinären Perspektive untersucht. Diese Erkenntnis war der Ausgangspunkt dafür, das Thema „Women's Agency in Schubert's Vienna" in den Mittelpunkt des jährlichen Forschungsprogramms der Interdisziplinären Kommission für Schubert Forschung zu stellen. Das Studium des Konzepts weiblicher Handlungsfähigkeit in der Wiener Musikkultur um 1800 bildet die Grundlage des vorliegenden Bandes. Die Autor*innen nähern sich dem Thema aus verschiedenen Blickwinkeln, vom Sammeln bis zum Komponieren, von Salonpraktiken bis zum Singen oder Spielen, im öffentlichen wie im häuslichen Rahmen, mit besonderem Augenmerk auf die Herausforderungen privater und halbprivater Kontexte. Auch werden alltägliche Praktiken untersucht, um den Grad der Teilhabe von Frauen am Wiener Musikleben des frühen 19. Jahrhunderts zu bestimmen.