Die Stadt Kibyra im südwestlichen Kleinasien bietet sich heute dem Reisenden als eine monumentale Ruinenstätte dar. Die Überreste der prächtigen Bauten aus römischer Zeit dürfen aber nicht vergessen machen, dass sich Kibyra schon in hellenistischer Zeit zu einer bedeutenden Vormacht entwickelt hatte, von der uns Polybios und Strabon berichten. Neue Grabungen haben dort nun ein Corpus von Staatsverträgen und Ehreninschriften ans Licht gebracht, das unsere Kenntnis dieser Zeit über die literarischen Quellen hinaus wesentlich vertieft. In ihrer Gesamtheit belegen die Neufunde eine Vielzahl von unbekannten einheimischen Namen und gewähren uns einen Einblick in soziale und familiäre Strukturen, diplomatische Kontakte und athletische Wettbewerbe. Unter den Neufunden ragt besonders ein Bündnisvertrag mit Rom hervor, das sich nach dem Sieg über den Seleukidenkönig Antiochos III. als neue Großmacht etabliert hatte. Dieser Bündnisvertrag wurde 174 v. Chr. geschlossen und ist in einer zweisprachig lateinisch-griechischen Version überliefert. Der griechische Text liegt nun mit gesicherter Datierung fast vollständig vor und erlaubt uns, die Expansionspolitik der Römer und die politische Geschichte der Region neu zu bewerten. Über Kibyra hinaus ist der Fund der fragmentarisch erhaltenen lateinischen Version des Bündnisvertrages von Bedeutung, weil er substantielle Fortschritte bei der Rekonstruktion des bislang kaum bekannten lateinischen Formulars römischer Bündnisverträge ermöglicht.